Welche Rolle hat die Begleitforschung im Rahmen der NKWS?
Das Bundesumweltministerium hat sich für die Formulierung von Zielen und Maßnahmen in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie eine wissenschaftliche Begleitung eingerichtet. Zwei Forschungspartner stellen ihre Arbeit vor und erläutern Herausforderungen und Chancen.
Für die begleitenden Forschungsaktivitäten haben sich verschiedene wissenschaftliche Institutionen zu einem Konsortium zusammengefunden: Wuppertal Institut, Öko-Institut, Ecologic Institute, HafenCity Universität Hamburg, SystemIQ, Institut für Energie und Umweltforschung (ifeu), Ökopol und Frau Prof. Hentschel, Hochschule Darmstadt.
Das Wuppertal Institut forscht zu Transformationsprozessen in Richtung Nachhaltigkeit. In der wissenschaftlichen Begleitforschung zur NKWS koordiniert das Wuppertal Institut das Konsortium und leitet unter anderem auch das Arbeitspaket zur Modellierung von Maßnahmen und den durch sie erreichbaren Effekten.
Das Öko-Institut ist eine der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungseinrichtungen für eine nachhaltige Zukunft. Im Forschungsprojekt begleitet das Öko-Institut mit wissenschaftlichen Methoden die Auswahl der relevanten Handlungsfelder für die NKWS, koordiniert die Entwicklung und Bewertung von Maßnahmen und Instrumenten zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und unterstützt den politischen Strategieprozess mit der Erstellung von Kurzstudien.
Siddhart Prakash (Öko-Institut) sowie Henning Wilts (Wuppertal Institut) geben Einblicke in ihre Arbeit zur NKWS:
Um eine Kreislaufwirtschaftsstrategie so zu gestalten, dass sie in der Praxis zur Reduktion des Primärrohstoffeinsatzes führt, sollten zunächst die besonders relevanten Handlungsfelder identifiziert werden – wie geht die Begleitforschung dabei vor?
Siddarth Prakash, Öko-Institut: Wir haben dafür bereits existierende Daten, Informationen und Studien zur ökologischen und ökonomischen Relevanz von Querschnittsbereichen, Stoffströmen und Produkten ausgewertet.
Kriterien für die Auswahl der besonders relevanten Handlungsfelder waren zum Beispiel hohe Umweltauswirkungen und ein Handlungsspielraum auf der Ebene der nationalen Politik, um Maßnahmen und Instrumente zu initiieren. Außerdem haben wir Querschnittsbereiche identifiziert, die wichtige Hebel für Veränderungen über einzelne Handlungsfelder hinweg darstellen, wie etwa die Öffentliche Beschaffung und Digitalisierung. Insgesamt ist eine möglichst vollständige Abdeckung aller Wirtschaftsbereiche wichtig.
Kreislaufwirtschaft verbindet soziale, ökonomische und ökologische Aspekte: Woran kann man erkennen, dass alle Aspekte berücksichtigt wurden?
Henning Wilts, Wuppertal Institut: Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft braucht eine weitreichende Veränderung des bestehenden Wirtschaftssystems: Das bedeutet beispielsweise, dass Unternehmen Wertschöpfungsketten unter dem Blickwinkel der nachhaltigen Verwendung der Ressourcen neugestalten. Am Beispiel Plastikprodukte kann man alle drei Dimensionen gut veranschaulichen. Verbote von Einwegplastikprodukten können ein sinnvoller Ansatz sein – insbesondere mit Blick auf die ökologischen Effekte des Ressourcenverbrauchs. Gleichzeitig sollte man mitberücksichtigen, ob es am Markt bereits umweltfreundlichere Alternativen oder Materialen gibt, welche Konsequenzen eine solche Maßnahme für ärmere Haushalte hätte und ob Arbeitsplätze in der Folge verloren gehen oder geschaffen werden könnten. Die Kreislaufwirtschaft strebt danach, die Lösung mit der bestmöglichen Kombination zu finden, im Detail ist das genaue Hinsehen aus der Perspektive der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitsdimension essentiell.
Es braucht geeignete Indikatoren, um die Entwicklung des Ressourcenverbrauchs beziehungsweise der Ressourcenschonung im Sozialen wie in der Umwelt nachzuvollziehen. Welche Indikatoren sind für die Kreislaufwirtschaft besonders wichtig – und weshalb?
Henning Wilts: Kreislaufwirtschaft wird häufig als verbesserte Abfallwirtschaft verstanden – das Konzept geht allerdings weit darüber hinaus. Notwendig sind daher Indikatoren, die alle sogenannten „R-Strategien“ betrachten, also alle Strategien, die dafür sorgen, dass der Rohstofffußabdruck gesenkt wird und Produkte langlebig sind sowie in einem Kreislauf geführt werden können. Dabei muss immer die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden – zum Beispiel auch der Ressourcenverbrauch im Ausland. Es gibt bereits Messindikatoren wie die Kreislauf-Materialnutzungsquote des Rohstoffverbrauchs eines Landes und den Materialfußabdruck einer einzelnen Person. Auch die Informationen zu den eingesammelten Abfällen sind bereits vorhanden. Wir nutzen zudem Messindikatoren aus dem Klimaschutz – z.B. den CO2-Fußabdruck. Für andere Aspekte werden wir neue Indikatoren entwickeln müssen.
Um die Transformation zu einer nationalen Kreislaufwirtschaft in der Umsetzung zu begleiten, entwickelt die Begleitforschung konkrete Instrumente für unterschiedliche Handlungsfelder. Wie sind diese Empfehlungen aufgebaut und wie werden sie an die Praxisakteure weitergegeben?
Siddarth Prakash: Wir schauen uns an, welche Herausforderung gelöst oder welche Rahmenbedingungen verbessert werden sollen und entwickeln daraus Empfehlungen, wie passende Instrumente gestaltet werden können. Die Empfehlungen gehen auf Wirkung, Potenziale, Hemmnisse und Zielkonflikte ein, nennen Vorbilder in anderen Politikfeldern und/oder Ländern und ordnen einen Zeithorizont sowie Adressat:in und Zuständigkeit zu. Aus dem Stakeholder-Dialog wurden Rückmeldungen zur Praxistauglichkeit eingeholt. Diese Informationen dienen als Diskussionsgrundlage – sowohl für die BMUV-interne als auch für die interministerielle Abstimmung im NKWS-Prozess.
Damit Maßnahmen umgesetzt werden können, braucht es gesellschaftliche Akzeptanz. Wo sehen Sie mögliche Hürden und wie kann diesen begegnet werden?
Siddarth Prakash: Ein ressourcenschonender Lebensstil wird als unkomfortabel eingeschätzt und oft mit Angst vor Wohlstandsverlusten, Verzicht und Verboten assoziiert. Die wissenschaftliche Studienlage ist eindeutig: Insgesamt entstehen positive sozioökonomische Effekte für die Gesellschaft, wenn die Kreislaufwirtschaftsmaßnahmen mit sozialen und arbeitsmarktflankierenden Instrumenten begleitet und umgesetzt werden. Wichtig ist, dass die privaten sowie öffentlichen Investitionen in die Technologien und Infrastrukturen gelenkt werden, die vorteilhaft für die Umwelt sind. Da es sich um langfristige Transformationsprozesse handelt, braucht es politischen Willen und gleichzeitig positive gesellschaftliche Zukunftsbilder für eine Kreislaufwirtschaft. Es muss eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber geführt werden, was ein gutes Leben ausmacht und was Wohlstand für unsere Gesellschaft bedeutet. Gesellschaftliche Akzeptanz meint eine bejahende, unterstützende Einstellung in der Breite der Bevölkerung, wobei sie zwischen Individuen und verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich ausgeprägt sein kann.
Kreislaufwirtschaft ist ein international relevantes Thema – inwieweit werden bereits bestehende Erfahrungen aus anderen Ländern in die Begleitforschung integriert?
Henning Wilts: Es ist sehr sinnvoll, sich die konkreten Maßnahmen, Ziele und Umsetzungsprozesse anzuschauen, die in anderen Ländern eine Innovationsdynamik ausgelöst haben, die uns in Deutschland aktuell noch fehlt. Hierzu hat die Begleitforschung sehr genau betrachtet, wie Kreislaufwirtschaftsstrategien in anderen Ländern aufgebaut wurden, welche Ziele und Maßnahmen sie enthalten und wie sie finanziert werden. Nicht nur von vergleichbaren Ländern in Europa, sondern auch aus globalen Erfahrungen können wir viel lernen. Ein Beispiel sind problematische Abfallexporte und die daraus abgeleiteten verschärften Regulierungen in China oder Indien. Vor allem in Ländern des globalen Südens können zudem negative sozioökonomische Auswirkungen etwa auf Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Es gilt, bisherige Erfahrungen vorausschauend zu berücksichtigen.
Wie kann die Wirksamkeit einer Strategie und der damit verbundenen Maßnahmen gemessen und bewertet werden?
Henning Wilts: Die NKWS mit ihren konkreten Maßnahmen soll natürlich dazu beitragen, Abfallmengen zu reduzieren, Stoffkreisläufe zu schließen und letztlich Ressourcen einzusparen. Solche Effekte lassen sich messen und auf dieser Basis können Auswahl und Umsetzung der Maßnahmen bewertet werden. Die NKWS geht als politische Strategie natürlich über Einzelmaßnahmen hinaus. Deshalb nimmt man zusätzlich Aspekte wie die Konsistenz von zukünftigen Politikmaßnahmen in anderen Strategien der Bundesregierung oder die Mobilisierung privater Investitionen in den Fokus. Diese sollten sich stärker auf die Rahmenbedingungen für die Umsetzung als auf quantifizierbare Tonnen CO2 oder Abfall beziehen. Eine Aufgabe der Begleitforschung ist die Erarbeitung eines geeigneten Monitoringkonzept für die NWKS, das alle diese Aspekte abbildet: Die eingesetzten Ressourcen, die erreichten konkreten Outputs sowie auch die langfristig erzielten Veränderungen.
Welche sonstigen Punkte empfinden Sie als besonders relevant in der Rolle der Begleitforschung?
Siddarth Prakash: Die Begleitforschung kann die für die Transformation erforderlichen Politikinstrumente umfassender formulieren, als es im politischen Verhandlungsprozess möglich ist. Wir achten darauf, dass die Empfehlungen auf Grundlage wissenschaftlicher Evidenz und Empirie abgeleitet werden. Die Empfehlungen zeigen den notwendigen Pfad für die Transformation, wohlwissend, dass viele Instrumente in einem transparenten und offenen gesellschaftlichen Dialog ausdiskutiert werden sollten.