Bekleidung und Textilien
Jedes Jahr werden in Deutschland knapp 19 kg Textilien pro Person konsumiert. Das entspricht insgesamt 1,56 Millionen Tonnen Textilien. Etwa 1 Million Tonnen werden als Alttextilien gesammelt. Die Konsumausgaben für Bekleidung und Schuhe in Deutschland betrugen in 2022 rund und 77,7 Milliarden Euro und stiegen mit wenigen Ausnahmen in den letzten 30 Jahren kontinuierlich an – vor allem aufgrund der sogenannten Fast Fashion. Damit verschärfen sich die mit der Produktion sowie mit den Textilabfällen assoziierten Probleme in Form von steigenden Treibhausgasemissionen, Chemikalienverbräuchen und deren Umweltwirkungen, Düngemittelmengen sowie einer steigenden Wasserentnahme. Vor allem betrifft diese Umweltproblematik Länder des „globalen Südens“, die Textilien produzieren und Gebrauchttextilien wieder importieren. Auch sind nach wie vor soziale Herausforderungen in den Herstellungsländern mit dieser Industrie verbunden wie z. B. Kinderarbeit und niedrig bezahlte Arbeitskräfte.
Hemmnisse für die Umsetzung einer Circular Economy für Textilien sind ganz unterschiedlicher Natur. Eine wichtige Rolle spielen die Marktbedingungen sowie die Kostenstruktur: Kurzlebig designte Textilerzeugnisse werden überwiegend von Großabnehmern aus Ländern mit niedrigen Arbeitskosten und niedrigen Arbeits- und Umweltstandards importiert und zu niedrigen Preisen angeboten. Zusätzlich werden immer mehr Textilien über Online-Plattformen aus Drittstaaten direkt an Verbraucherinnen und Verbraucher geliefert. Zirkuläre Geschäftsmodelle können mit diesem globalen Angebotsmarkt überwiegend nicht konkurrieren. Niedrige Preise für Neuware, kurzlebiges Design und begrenzte Bereitschaft oder Möglichkeit, Textilien zu reparieren und Gebrauchtware zu nutzen, führen zu geringer gesellschaftlicher Wertschätzung von Textilien. Darüber hinaus fehlen Anreize für technische Innovationen und Investitionen am Lebensende von Textilien. Auch beim Design wird Kreislauffähigkeit von den meisten Herstellern noch oft nicht mitgedacht. Für eine funktionierende Kreislaufführung ist es wichtig, bei der Produktion von Textilien auf Langlebigkeit, Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Reparierbarkeit zu achten, die Kreislauffähigkeit von Textilien bereits beim Design mitzudenken und Informationen über diese und weitere relevante Aspekte wie beispielsweise die Materialzusammensetzung entlang der Lieferkette zwischen Textillieferanten, Markenketten und Textilrecyclern weiterzugeben. Diese Informationsweitergabe ist aktuell häufig unzureichend. Hier gilt es nachzubessern.
Bei technischen Textilien sind deutsche Hersteller und Forschungseinrichtungen in Europa führend. Zunehmend spielt auch hier das Thema Circular Economy eine wichtige Rolle. Diese Potenziale gilt es zu nutzen, z.B. im Rahmen des sog. Cross-Cyclings (Aufbereitung von Textilien für hochwertige Anwendungen in anderen Branchen).
Viele wichtige Maßnahmen sind Gegenstand aktueller Diskussionen und Rechtsetzungsvorhaben, in vielen Fällen auf EU-Ebene. Relevant sind insbesondere:
- Die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien (2022) der Europäischen Kommission gibt einen Rahmen und eine Vision für einen nachhaltigen und zirkulär wirtschaftenden Textilsektor bis zum Jahr 2030 vor. Diese wird derzeit durch unterschiedliche horizontale Rechtsakte umgesetzt.
- Bei der EU-Ökodesign-Verordnung sind Textilien eine der ersten Produktgruppen für produktgruppenspezifische Regelungen (vgl. Kap. 4.5.2 des Strategietextes).
- Die EU-Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EG) verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, die Entstehung von Abfällen zu vermeiden. Ein von der Europäischen Kommission im Juli 2023 vorgelegter Vorschlag für eine gezielte Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie sieht eine erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien, Textilprodukte und Schuhe aus Haushalten mit umweltbezogener Gebührenstaffelung vor.
- Ab 2025 schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eine getrennte Sammlung von Textilabfällen und Textilien für die Wiederverwendung vor.
- Ein für 2025 angekündigter Vorschlag für eine neue EU-Textilkennzeichnungsverordnung soll u.a. die Faserkennzeichnung bei Textilien verbessern, konkrete Vorgaben an den Digitalen Produktpass definieren und die Weitergabe der zukünftigen Informationsanforderungen entlang der Wertschöpfungskette vereinfachen.
- Durch die novellierte EU-Verordnung über die Verbringung von Abfällen werden die Regelungen zum Export von Textilabfällen verschärft.
Auf Grundlage der in Kapitel 1.3 dargestellten Vision einer umfassenden Kreislaufwirtschaft für das Jahr 2045 und als Ergänzung des Leitbildes und der übergeordneten Ziele, die in Kapitel 2 formuliert werden, gelten für dieses Handlungsfeld zusätzlich die folgenden Ziele:
- Erhöhung der Anzahl der Betriebe, die Bekleidung und Textilien primär zur Wiederverwendung verkaufen oder verleihen, sowie der Beschäftigten und des Umsatzes in solchen Betrieben. Festlegung eines quantifizierbaren Ziels bis Ende 2025.
- Gesteigerter Umsatz mit haltbarer Kleidung und in zirkulären Geschäftsmodellen.
- Gesteigerter Einsatz von rezyklierten Fasern in der Textilproduktion.
Das Handlungsfeld umfasst neben Bekleidung, Schuhen und Lederwaren auch Heimtextilien. Aufgrund der großen und wachsenden Mengen von Bekleidung adressieren die folgenden Maßnahmen vor allem diesen Bereich. Grundsätzlich ist festzustellen, dass es bisher gerade im Bereich Textilien keine sektorspezifischen Regelungen gibt. Dies ändert sich aktuell durch die unter Punkt 4.7.2 dargestellten Vorhaben, die wesentlich dazu beitragen werden, die unter 4.7.3 dargestellten Ziele zu erreichen. Es ist sinnvoll, die Einführung und Umsetzung dieser Regelungen und ihre Auswirkungen auf den Binnenmarkt genau zu beobachten. Sollten diese in den nächsten Jahren nicht die gewünschten Erfolge zeigen, muss geprüft werden, ob die Einführung zusätzlicher Maßnahmen auf EU- und/oder nationaler Ebene notwendig und zielführend sind.
Branchendialog zu zirkulären Geschäftsmodellen
Dialog zwischen Bund und Unternehmen über eine branchenspezifische Lösung, um den Umsatz mit haltbarer Kleidung / in zirkulären Geschäftsmodellen zu erfassen und zu erhöhen. Auch der Einsatz von rezyklierten Fasern soll erhöht werden. Technologien für eine automatisierte Sortierung von Fasermaterialien und für die Entfernung von Additiven und Farbstoffen z.B. mit Hilfe von Enzymen werden zur Einsatzreife weiterentwickelt.
Mindestanforderungen für Langlebigkeit
Einsatz für EU-Produktregelungen für Textilien, um im Rahmen der ESPR ambitionierte Mindestanforderungen für die Langlebigkeit festzulegen und Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Einsatz von rezyklierten Fasern zu erhöhen.
Bewusstseinswandel und Information
Ein Kultur- und Bewusstseinswandel bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ist ein wesentlicher Beitrag zur Transformation des Textilsektors. Um den Sektor zirkulär auszurichten, sollten Textilien haltbar sein, und lange genutzt werden. Neukäufe, im sog. Fast-Fashion-Segment mit geringer Qualität und Lebensdauer sollen verringert werden. Informations- und Aufklärungskampagnen zur Wertschätzung langlebiger Kleidung, eine verstärkte Sichtbarkeit und Verfügbarkeit von zirkulären Dienstleistungen und entsprechende Kommunikationsstrategien der Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag, Konsummuster dauerhaft zu verändern und können zu einem Bewusstseinswandel führen, der dann wiederum die Nachhaltigkeit des Textilsektors fördert.
Erforderlich sind entsprechende Informations- und Aufklärungskampagnen, ggf. in Abstimmung mit Hersteller- und Handelsverbänden. Mögliche Anlässe sind der Tag der Reparatur, die europäische Dachkampagne „Europäische Woche der Abfallvermeidung“ oder die Fortschreibung des Abfallvermeidungsprogramms des Bundes und der Länder.
Die Sensibilisierung von Unternehmen in geeigneten vorhandenen Gremien und/oder Veranstaltungen muss vorangetrieben werden. Wichtig für die Ansprache der Verbraucherinnen und Verbraucher sind auch Informationen direkt am Point of Sale. Des Weiteren sollen Unternehmen motiviert werden, auch neue Geschäftsmodelle zu erproben und zu etablieren, deren Wirtschaftlichkeit nicht von steigenden Neukäufen abhängt, wie z. B. Product-as-a-Service-Modelle.
Eine weitere Säule dieser Maßnahme ist ein Austausch mit kommunalen Institutionen, wie dem Deutschen Städtetag und kommunalen Verwaltungen. Gemeinsam soll darüber beraten werden, wie die Sichtbarkeit und gute Erreichbarkeit von Anbietern zirkulärer Angebote in den Innenstädten erhöht werden kann.
Erfassung von Textilabfällen verbessern und hochwertiges Recycling fördern
Es sollte perspektivisch eine separate Erfassungsquote für Textilabfälle geprüft werden. Dazu müssten F&E von Logistik, Sortiersystemen, Recycling- und Nachweistechnologien sowie Weiterverarbeitung von recycelten Fasern gefördert werden, um die Recyclingkapazitäten in Deutschland zu erhöhen. Dies ist eine Voraussetzung für die Einführung einer Rezyklateinsatzquote. Unterstützt werden soll auch die Sortierung von Post-Consumer-Textilabfällen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Anschubfinanzierung für Pilotanlagen und Demonstrationsvorhaben mit EU- und außereuropäischen Partnern, um den internationalen Stoffströmen Rechnung zu tragen.
Forschungsförderung
Die folgenden Themen sollen zukünftig in der Ressortforschung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) berücksichtigt werden:
- Grundlagenforschung und Marktforschung zu Qualitäten und nachhaltigen Alternativfasern der (End-of-Life-) Textilströme und Auswirkungen auf Faser-zu-Faser-Rezyklate sowie Vereinbarkeit von Design for Recycling und Langlebigkeit.
- Textilien als Produktbeispiel in transdisziplinären Verbundforschungsprojekten vorsehen, bei denen Erfahrungen von Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis in die Forschung einbezogen werden.