IKT und Elektro(nik)geräte

Die Nutzungs- und Lebensdauer von Elektro(nik)geräten ist in den letzten Jahren zurückgegangen, das Reparaturniveau ist anhaltend niedrig. Als Konsequenz stieg die in Verkehr gebrachte Menge von Elektro(nik)geräten kontinuierlich an. Im Jahr 2022 betrug sie bereits 3,26 Millionen Tonnen, was einer Verdoppelung in den letzten 10 Jahren entspricht (2013: 1,6 Millionen Tonnen). Bei Elektroaltgeräten (EAG) blieb die jährliche Sammelquote in den letzten Jahren deutlich unter der aktuell gesetzlich vorgegebenen Sammelquote von 65 Prozent. Im Jahr 2021 wurde eine Sammelquote von nur 38,6 Prozent erreicht. Hohe Erfassungsverluste führen dazu, dass die Gesamtausbeute an Sekundärrohroffen viel geringer ausfällt, als potentiell möglich ist.

Unter den Hemmnissen für die Umsetzung einer Circular Economy bei Elektro(nik)geräten spielen v.a. die vorherrschenden Marktbedingungen sowie die Kostenstruktur eine zentrale Rolle. Defektanfällige Geräte, Software-Obsoleszenz, neue Technologietrends und der Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten nach immer neuen Produkten führen zu einem erhöhten Konsum von Elektro(nik)geräten. Reparaturen unterbleiben häufig u.a. aufgrund des reparaturverhindernden Designs, geringer Qualität von Produkten und schlechter Rahmenbedingungen für die unabhängigen Reparaturbetriebe. Hohe Reparaturkosten im Vergleich zu Kaufpreisen von (günstigen) Neuprodukten sowie der geringe Restwert des zu reparierenden Produktes verringern die Reparaturbereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten. Darüber hinaus führen teilweise mangelnde Sorgfalt bei der Sammlung und Rücknahme sowie eine zum Teil unvollständige Vorbehandlung, Trennung und Sortierung von Altgeräten und ihren Fraktionen zu einer unzureichenden Schadstoffentfrachtung und Wertstoffseparierung. Das schränkt die optimale Rückgewinnung der Materialien ein bzw. führt zu Fehlsortierungen. Die Rückgewinnung von (zum Teil kritischen und strategischen) Rohstoffen, v.a. die in niedrigen Konzentrationen, kann mit den derzeitigen Recyclingansätzen nicht kostendeckend erfolgen. 

Folgende Regelwerke und Vorhaben sind zurzeit bereits in Vorbereitung und stellen wichtige Rahmenbedingungen für die Ziele der NKWS dar:

EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR): Diese Verordnung ist der Neuerlass der Ökodesign-Richtlinie und die Erweiterung ihres Anwendungsbereiches, um den Großteil aller Produkte abzudecken und Aspekte wie Materialeffizienz, Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Reparierbarkeit, Rezyklatanteile und Informationspflichten einschließlich eines digitalen Produktpasses einzuführen. Mit dem Start der Verhandlungen zu Einzelmaßnahmen für Produktgruppen ist ab Ende 2025 zu rechnen. Die ESPR macht für nicht verkaufte Produkte (Überhänge und Retouren) ein Vernichtungsverbot und eine Berichtspflicht grundsätzlich möglich. 

Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG): In Umsetzung des Koalitionsvertrages ist noch in dieser Legislaturperiode eine Überarbeitung des ElektroG vorgesehen. Ein entsprechender Entwurf wurde am 16. Oktober 2024 durch die Bundesregierung vorgelegt. Damit sollen die Ziele einer Steigerung der Sammelmengen an Altgeräten, der Minimierung der Brandrisiken durch einen unsachgemäßen Umgang mit batteriehaltigen Geräten, eine verbesserte Rückgewinnung ressourcenrelevanter Metalle und Kunststoffe bei der Altgerätebehandlung sowie die Förderung der Vorbereitung zur Wiederverwendung verfolgt werden. 

Die Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer von Elektro(nik)geräten ist der wichtigste Hebel zur Verringerung der Umweltauswirkungen und des Rohstoffbedarfs. 

Auf Grundlage der in Kapitel 1.3 dargestellten Vision einer umfassenden Kreislaufwirtschaft für das Jahr 2045 und als Ergänzung des Leitbildes und der übergeordneten Ziele, die in Kapitel 2 formuliert werden, gelten für dieses Handlungsfeld zusätzlich die folgenden Ziele:

  • Design for Circularity ist das Schlüsselprinzip auch für Elektro(nik)geräte. Diese sind grundsätzlich für eine lange technische Lebens- und Nutzungsdauer, Wiederverwendung, Reparaturen, Remanufacturing (dt. Wiederaufarbeitung), Repurposing (Umnutzung für einen anderen Verwendungszweck) und Recycling designt, um Materialien möglichst lange im Kreislauf zu halten. 
  • Kreisläufe sollen möglichst geschlossen und negative, soziale Auswirkungen in der Lieferkette reduziert werden.
  • Software- und Sicherheits-Updates werden hinreichend lange bereitgestellt sowie Upgradability von Software und Hardware ermöglicht.
  • Elektro(nik)geräte werden auch von Verbraucherinnen und Verbrauchern lange genutzt und wiederverwendet.

Zur Erreichung der Ziele sind auf Bundes- oder EU-Ebene u.a. die folgenden Maßnahmen erforderlich:

Förderung des Designs for Circularity

Das Design soll eine stärkere Ausrichtung auf die Gesichtspunkte der Kreislaufwirtschaftstauglichkeit ermöglichen, wie z.B. Reparierbarkeit, Langlebigkeit, leichter Zugang zu Reparaturinformationen, Vermeidung gefährlicher Stoffe, leichter Zugang zu und Ausbau von Komponenten, Ersatzteilen, Batterien sowie von schadstoffhaltigen Teilen, Verwendung von recycelbaren Materialien sowie von Rezyklaten, Verwendung von Materialkombinationen und Verbindungen, die – soweit technisch vertretbar - eine einfache Demontage und Trennung der Einzelteile ermöglichen. Unterstützung im Rahmen der Ökodesign-Verordnung horizontale Regelungen, um bei IKT-Produkten eine herstellerübergreifende Nutzung und den Austausch von Teilen zu ermöglichen, z.B. Akkus, einheitliche Anschlüsse und Netzteile. Dadurch wird die Nutzungsdauer verlängert, es müssen insgesamt weniger Komponenten angeboten werden und es wird die Reparierbarkeit und Verfügbarkeit von Ersatzteilen erleichtert. 

Stärkung der Wiederverwendung bei IKT und Elektro-Geräten

Die Öffentliche Beschaffung besitzt in vielen Teilmärkten eine große Marktmacht und Vorbildfunktion. Im Rahmen der Prüfung einer möglichen Neufassung der Beschaffungsleitlinien für den Bund (AVV Klima und Umwelt) unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Vergabetransformationspakets soll auch die bevorzugte Beschaffung von gebrauchten und wiederaufgearbeiteten IKT- und Elektronikprodukten berücksichtigt werden (vgl. Kap. 4.11 des Strategietextes).

Es ist auch zu prüfen, ob die öffentliche Hand ihre Altgeräte wieder in den Kreislauf einspeist. (z.B. durch Teilnahme an refurbishment Plattformen, Spenden an Schulen, gemeinnützige Organisationen o.ä.).

Der Markt für wiederverwendete (refurbished) Elektrogeräte wächst, aber ihr Anteil am Gesamtmarkt liegt noch auf einem geringen Niveau. Um dem Markt Aufschwung zu verleihen und an Second-Life-Geräten interessierten Konsumentinnen und Konsumenten Produkte eindeutig erkennbar zu machen, sind verlässliche Qualitätssiegel notwendig. 

Unterstützung der Einführung eines Qualitätssiegels durch Anbieter von refurbished Elektrogeräten, das Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Identifikation geeigneter Angebote zur Wiederverwendung unterstützt. Um diese Siegel im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen ebenfalls genutzt werden können, sollten vergaberechtliche Vorgaben mitberücksichtigt werden.

In der Gesellschaft wächst das Bewusstsein für die Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer von Elekrtro(nik)geräte, was zu höhere Sammel- und Verwertungsquoten führt. Zahlreiche, meist private Initiativen tragen maßgeblich dazu bei und sollen unterstützt werden, beispielsweise Handysammelaktion (z.B. bei ALBA Berlin oder in Schulen).

Es ist zu prüfen, wie das bestehende Mengenmonitoring als Grundlage für weitergehende rechtliche Regelungen weiterentwickelt werden kann.

Stärkung der Kreislaufführung am Lebensende

Um die werthaltigen Bestandteile von IKT und Elektro(nik)geräten an ihrem technischen Lebensende oder durch Konsumpräferenzen bedingten Nutzungsende bestmöglich erneut in die Wertstoffkreisläufe einzubringen, sind getrennte Sammlung, Sortierung und Verwertung zu verbessern.

Mehr Altgeräte separat und möglichst zerstörungs- und schadensfrei zu erfassen, erfordert zunächst, den Vollzug, der auch in der Zuständigkeit der Länder liegt, mit Blick auf ElektroG und GewAbfVO zu stärken. Dazu gehört neben einer leicht zugänglichen Sammelinfrastruktur und einer besseren Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher auch, den illegalen Export von Elektroaltgeräten zu verringern sowie innereuropäische Verbringung zwecks Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling voranzubringen, um wiederverwendbare oder rezyklierbare Geräte, Teile und Materialien im Binnenmarkt im Kreislauf halten zu können (vgl. analoge Maßnahmen in den Kap. 4.4 sowie 4.6 des Strategietextes).

Bessere Verwertung von Elektroaltgeräten

Im Zusammenhang mit der anstehenden Revision der WEEE-Richtlinie sollte sich dafür eingesetzt werden, dass hier weitergehende Anforderungen an die Behandlung von Altgeräten insbesondere im Hinblick auf die Förderungen eines qualitativ hochwertigen Recyclings geprüft werden. Dies umfasst z.B. auch werkstoffspezifische Zielvorgaben und Rezyklateinsatzquoten. In diesem Zusammenhang wird auch zu diskutieren sein, ob und ggfs. wie eine Ökomodulation in der erweiterten Herstellerverantwortung auf europäischer Ebene verankert werden soll, um Anreize für zirkuläre IKT und Elektro(nik)geräte zu schaffen. 

Ein wichtiges flankierendes Instrument ist die Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E), beispielsweise im Hinblick auf offene Innovationen. Open-Source-Hardware erleichtert aufgrund erhöhter Transparenz und Zugänglichkeit die Wartung, Reparatur und Aufarbeitung sowie auch das Recycling von IKT und Elektro(nik)geräten. Open-Source-Software hingegen kann die Langlebigkeit von Hardware unterstützen, indem sie die langfristige Kompatibilität mit Software unterstützt. Hierzu gehört es, zu prüfen, ob in bestehenden Förderprogrammen die Entwicklung und Skalierung offener Innovationen gefördert werden kann oder ggf. eigene Fördermaßnahmen dafür vorzusehen sind.