Zirkuläre und ressourceneffiziente Produktion
Neben der Produktgestaltung, bei der die entscheidenden Weichen für einen zirkulären und rohstoffarmen Produktlebensweg gestellt und die Fertigungstechnologien weitestgehend festgelegt werden, sind weitere Rahmenbedingungen für die Produktionsprozesse notwendig, um diese in Ressourceneffizienz und Zirkularität zu optimieren. Die Bundesregierung hat deshalb bereits 2012 das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm ProgRess aufgelegt und fortgeschrieben. Es enthält u.a. Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz in der Produktion und bezieht bereits Maßnahmen zur inner- und überbetrieblichen Kreislaufführung mit ein.
Maßnahmen für Ressourceneffizienz und Zirkularität in der Produktion begegnen folgenden Hemmnissen:
- Die Umsetzung von Maßnahmen für Ressourceneffizienz und zirkuläre Produktion im unternehmerischen Alltag wird aufgrund kurzfristiger Kosten und fehlender Zeit- und Personalkapazitäten oftmals nicht in Betracht gezogen. Werden Maßnahmen in Unternehmen umgesetzt, fehlt es vielfach an einer fundierten Methodik zur Messbarkeit der Maßnahmen.
- Es fehlen produkt- und prozessspezifische Informationen für die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Design-for-Circularity Lösungen, die eine hochwertige Kreislaufführung von Materialien gleichrangig zu einer Linearführung von Primärrohstoffen ermöglichen.
- Für Unternehmen ist derzeit die Verfügbarkeit von Sekundärmaterialien in Mengen und Qualitäten vielfach entweder in wirtschaftlicher Menge noch nicht verfügbar oder zu volatil und unsicher, um diese in die Designspezifikationen und Materialbeschaffungsroutinen für hochvolumige Qualitätsproduktionen aufzunehmen und so eine entsprechende Marktnachfrage zu erzeugen.
- Aufgrund des entweder fehlenden oder volatilen Marktes für wichtige Sekundärmaterialien herrscht ein hohes unternehmerisches Risiko und folglich Unsicherheiten bezüglich weitergehender, jedoch notwendiger Investitionen in Sortier-, Behandlungs- und Recyclingtechnologien.
Verschiedene Regelwerke und aktuelle Vorhaben bilden wichtige Grundlagen für Maßnahmen zur Umsetzung der vorstehenden Zielstellungen:
- Die bisherige EU-Ökodesign-Richtlinie und ihre Weiterentwicklung zur Ökodesign-Verordnung, u. a. mit Vorgaben zu Kreislauffähigkeit, Recyclinganteil und Informationspflichten inkl. des digitalen Produktpasses).
- Die EU-weit etablierten, abfallrechtlich verankerten Produktverantwortungssysteme, ihre nationale Umsetzung im Kontext des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) und ihre Weiterentwicklung.
- Standardisierung von Recyclingmaterialien auf Ebene der Normung der EU sowie im Rahmen der „Normungsroadmap Circular Economy“ von DIN/DKE/VDI.
- Überarbeitung der EU-Regulierungen zu Best available techniques REFerence documents (BREF) und der Industrial Emissions Directive (IED–Prozess), insb. BVT-Schlussfolgerungen und deren Umsetzung in deutsches Recht ermöglicht eine Verankerung zirkulären Wirtschaftens in den Betreiberpflichten in der Anlagengenehmigung.
Auf Grundlage der in Kapitel 1.3 dargestellten Vision einer umfassenden Kreislaufwirtschaft für das Jahr 2045 und als Ergänzung des Leitbildes und der übergeordneten Ziele, die in Kapitel 2 formuliert werden, lassen sich für die Umsetzungsperiode der NKWS bis 2030 folgenden Zielstellungen benennen:
- Förderung gezielter Maßnahmen zur Steigerung von Ressourceneffizienz und zirkulärer Produktion insbesondere mittels Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen
- Bereitstellung gezielter Informationen und notwendiger Qualifikation über technologische Optionen zu Ressourceneffizienz und Zirkularität durch das Kompetenzzentrum für zirkuläre Wirtschaft
- Unterstützung bei der Entwicklung und Anwendung einer fundierten Methodik zur einfachen, unbürokratischen Messbarkeit von inner- und überbetrieblicher Zirkularität
- Erarbeitung umfassender Qualitätsstandards, u. a. basierend auf den festgestellten Normungsbedarfen der Normungsroadmap Circular Economy, für alle Sekundärrohstoffe sowie übergreifende Inputspezifikationen für alle mengenrelevanten Recyclingrouten bis 2030. Der Übertrag auf europäische Ebene erfolgt parallel.
Zur Erreichung der Ziele sind auf Bundes- oder EU-Ebene u.a. die folgenden Maßnahmen erforderlich:
Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen handelt es sich um Anpassungen der Rahmenbedingungen für zirkuläre Produktionsprozesse sowie die Bewirtschaftung von Materialien in der zirkulären Produktion. Alle Maßnahmen und Instrumente stehen dabei in einer engen Wechselwirkung:
Förderung von Investitionen in Recycling und Ressourceneffizienz
Im Sinne zirkulären Wirtschaftens wird das BMUV-Umweltinnovationsprogramm (UIP) verstärkt innovative Demonstrationsprojekte, UIP-Leuchttürme Circular Economy, fördern.
Für bestehende und dafür geeignete Förderprogramme der Bundesregierung wird geprüft, ob diese unter dem Aspekt des zirkulären Wirtschaftens weiterentwickelt und ggfs. priorisiert werden können.
Prüfung der Einführung eines neuen Fonds zur Finanzierung von Pilot- und Demonstrationsanlagen, auf den Unternehmen unterschiedlicher Strukturen und Größenklassen gleichermaßen zugreifen können.
Unterstützung der Wirtschaft bei der zirkulären Ausrichtung durch digitale Technologien
Weiterführung, Verstetigung und Ausbau des erfolgreichen Förderprogramms „Digitale Anwendungen zur Steigerung der Ressourceneffizienz in zirkulären Produktionsprozessen“ (DigiRess) über 2025 hinaus. Unternehmen der Industrie, insbesondere KMU, werden dadurch unterstützt, Potentiale digitaler Lösungen noch besser für Kreislaufwirtschaft zu nutzen, damit ein Umstieg auf zirkuläre, ressourceneffiziente Produktions- und Wertschöpfungsprozesse gelingt. Weitere Fördermöglichkeiten für die Entwicklung innovativer digitaler Technologien und Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft, insbesondere für Start-Ups und deren Kooperation mit etablierten Unternehmen für mehr Innovationen werden geprüft.
Beschleunigung von Investitionen in die zirkuläre Wirtschaft
Die Beschlüsse zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren („Pakt für Deutschland“) werden auch die Investitionen in eine zirkuläre Wirtschaft schneller voranbringen. Im Rahmen der Plattform für Kreislaufwirtschaft soll im Dialog mit den Unternehmen und Expertinnen und Experten geprüft werden, wo mögliche weitere Hemmnisse bestehen und wie diese zielführend zugunsten einer Beschleunigung des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft abgebaut werden können. Des Weiteren wollen wir gemeinsam mit der Wirtschaft eine Investitions- und Innovationsoffensive anstoßen. Durch einen klaren rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen bieten wir Planungssicherheit. Flankierend soll auf Basis eines Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Erprobung von Innovationen in Reallaboren und zur Förderung des regulatorischen Lernens (ReallaboreG) dieses auch für Investitionen in die zirkuläre Wirtschaft die Potentiale von Reallaboren genutzt und damit zentrale innovative Technologien schneller erprobt und in den Markt gebracht werden.
Schaffung von Markttransparenz über die Ressourceneffizienz verschiedener primärer und sekundärer Herstellungsrouten von Materialien
Um die Ressourceneffizienz der unterschiedlichen primären und sekundären Herstellungsrouten der Materialien für entsprechende Auswahlentscheidungen am Markt sichtbar zu machen, sind entsprechende Kennzahlen notwendig. Bislang noch fehlende Kennzahlen sollen in einem Forschungsprojekt ermittelt werden. Sie bilden den Aufwand an Ressourcen zur Bereitstellung z.B. einer Tonne eines bestimmten Materials ab.
Unterstützung einer kartellrechtskonformen Abstimmung der Hersteller über einheitliche Methoden zur transparenten Ermittlung und der Datentransparenz für die Ressourcen-Effizienzkennzahlen definierter Materialien, um ein Level-playing Field zwischen verschiedenen Materialrouten zu ermöglichen.
Mit der ProBas-Datenbank beim Umweltbundesamt werden solche Daten kostenfrei verfügbar gemacht und regelmäßig gepflegt und weiterentwickelt. Dies betrifft auch Daten, die es ermöglichen, die Reduktion von Treibhausgasemissionen zu berechnen, wie dies für einige Förderprogramme des Bundes und der Länder relevant ist.
Gezielte Weiterentwicklung der Systeme der Produkt-Verantwortung
Die Qualität von Sekundärrohstoffen hängt von den geltenden Standards ab. Auf europäischer Ebene ist zu diskutieren, ob neben Mengen (Quoten) auch die Sicherung der Qualitäten der Sortierfraktionen in der Produktverantwortung der Hersteller verankert werden sollte.
Dazu sollten verbindliche Anforderungen in der Zusammenarbeit mit den Anlagebetreibern und den Lieferanten der Sekundärrohstoffe, so wie der potentiellen Abnehmer an die Eingangsspezifikationen der Recyclingprozesse in der Produktverantwortung festgelegt werden.
Darüber hinaus ist auf EU-Ebene zu diskutieren, ob auch für Produktgruppen, die (bislang) nicht einem System der Produktverantwortung unterworfen sind, entsprechende Vorgaben z.B. im Rahmen von ESPR-Durchführungsverordnungen festgelegt werden.
Zirkularität in Unternehmensstrategien bringen: Zirkuläre und ressourceneffiziente Produktion in Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagementsysteme integrieren
Zirkularität muss in den Unternehmensstrategien berücksichtigt werden. Auf der Basis von Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagementsystemen (z.B. EMAS, DIN EN ISO 14.001) können Unternehmen und andere Organisationen systematisch die Potentiale für Zirkularität und zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs in der Produktion identifizieren und die Beschäftigten sensibilisieren.
Weiterentwicklung und Werbung, dass mehr Unternehmen Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagementsysteme einführen und weitere bestehende Standards in die betriebliche Anwendung bringen.
Weiterentwicklung von Beratungs- und Qualifizierungsangeboten, insbesondere für KMU
Weiterentwicklung und Fortführung bestehende Beratungsangebote, wie beispielsweise vom Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE), da insbesondere KMU zielorientierte Unterstützung bei Entwicklung und Umsetzung von zirkulären und ressourceneffizienten Produkten und Produktionsprozessen benötigen.
Analog zu Ressourceneffizienz werden für zirkuläre Produkte und Produktionsprozesse zum Beispiel nach Branchen differenzierte Checklisten, Weiterbildungs- und Beratungsangebote entwickelt. Verzahnung und Weiterentwicklung auch bestehende Programme der Länder mit den Bundesangeboten für mehr Effektivität.
Start einer Qualifizierungsoffensive für zirkuläre Technologien und Geschäftsmodelle gemeinsam mit der Wirtschaft. Diese soll auch im Dialog mit den Ländern entwickelt, umgesetzt und ausgebaut werden.
Europäisches „Circular Economy Knowledge Center zur Beratung von KMU“ aufbauen
Einsatz auf EU-Ebene für die Nutzung bestehender Strukturen und Netzwerke (z.B. European Circular Economy Stakeholder Platform, Circular Cities and Regions Initiative), um die Vernetzung, den Wissenstransfer und die Sichtbarkeit von Institutionen, Initiativen und Aktivitäten auf nationaler und regionaler Ebene in Europa zu fördern, mit dem Ziel, ein Europäisches Circular Economy Knowledge Center aufzubauen. Dabei sollen technisches Wissen sowie unterstützende Werkzeuge und Aktivitäten für Geschäftsmodellinnovationen im Fokus stehen. Die Erfahrungen aus dem European Resource Efficiency Knowledge Center (EREK) werden berücksichtigt.
Effizienzstandards zur Erschließung von Potentialen aus (Kreislauf-)Materialien
Entwicklung geeigneter Materialeffizienz-Anforderungen im IED/BREF-Umsetzungsprozess (insb. BVT-Schlussfolgerungen) und eine Umsetzung in den Betreiberpflichten bei der Anlagengenehmigung.
Unterstützung der laufenden Prozesse des Informationsaustausches (auch) zu Best-Practice Beispielen für Möglichkeiten der Steigerung der Nutzungseffizienz eingesetzter (Roh-)Materialien und der (direkten) Verwertung von Nebenprodukten und Produktionsrückständen und Etablierung eines Dialogs auch mit den Ländern. Werden die Ergebnisse aus guten Beispielen in die BVT-Schlussfolgerungen überführt, kann im Rahmen der Verfahren der Anlagengenehmigung eine entsprechende Konkretisierung der generellen Betreiberpflichten des § 5 BImSchG erfolgen und die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen vorgegeben werden.